Safety

«Kabelsalat» als unterschätztes Risiko

Das Fliegen in kabelreichen Regionen wie den Schweizer Alpen gehört zu den anspruchsvollsten Aufgaben für Helikopterpilotinnen und -piloten. Gerade für Piloten, die meistens im weniger kabelverseuchten Flachland fliegen, grösstenteils im Simulator trainieren oder nur wenige
Aussenlandungen machen, ist eine spezifische Vorbereitung wichtig.   

Autoren: Claudia Zürcher, Samir Ulrich, SHeV

Die Gefahr, die von Hindernissen wie Stromleitungen, Seilbahnen oder Heuseilen ausgeht, ist allgegenwärtig. Häufig übersehen oder falsch eingeschätzt, können Kabel fatale Folgen für Helikopter und ihre Besatzung haben. Die Ursachen dafür sind vielfältig:

  • ungenügende Flugvorbereitung
  • unvollständige Karten oder fehlende Aktualisierung
  • schlechte Sicht und optische Kontraste
  • Überforderung oder Nachlässigkeit
  • fehlende Einschätzung der Kabelgefahr

Besonders für Pilotinnen und Piloten, die ihre Ausbildung im Mittelland, im Simulator, im Ausland oder rund um Flugplätze absolvieren, ist die spezifische Zusatzausbildung zur Gefährdung durch Kabel ein wichtiger Bestandteil der Weiterbildung. Ein verpflichtendes Ausbildungsmodul zu Kabelrisiken beim Erwerb der Privatpilotenlizenz (PPL H) oder spezifische Schulungseinheiten, wie sie beispielsweise beim Alpenflug angeboten werden, könnten hier einen entscheidenden Beitrag leisten.

Taktiken für sicheres Fliegen

Eine erfolgreiche Bewältigung von Flügen in kabelreichen Gebieten setzt eine angepasste Flugtaktik voraus. Zentrale Punkte sind:

  • Anflug und Abflug: Der Anflugwinkel sollte stets der Kabelsituation angepasst sein. Der Abflug sollte immer entlang der gleichen Route wie der Anflug erfolgen – unabhängig von den Windverhältnissen.
  • Sicht auf Kabel: Stromleitungen sollten vorzugsweise direkt über den Masten überquert werden, da die Sicht auf Drähte zwischen den Masten oft schlechter ist.
  • Landeplätze hinter Hütten: Hier besteht ein erhöhtes Risiko, da von diesen aus häufig Drähte gespannt werden.
  • Talflüge: Es ist sicherer, sich von der Talmitte einem Platz zu nähern, statt sich an der Talseite zu orientieren, da gespannte Kabel so besser überblickt werden können.
  • Navigationstechnologie: Moderne Apps wie AirNavPro, ForeFlight oder Swisstopo können eine wertvolle Hilfe sein. SplitView-Ansichten auf dem EFB ermöglichen es, bodennahe Kabel frühzeitig zu erkennen und trotzdem sauber zu navigieren.
  • Fluggeschwindigkeit anpassen: In kabelreichen Gebieten sollte die Geschwindigkeit reduziert werden, um bei plötzlich sichtbaren Hindernissen reagieren zu können.

Die Grenzen von Kabelkarten

Kabelkarten sind wichtige Hilfsmittel, bergen jedoch Tücken. Fehlerhafte Eintragungen, ungemeldete oder neu gespannte Kabel sowie falsch markierte oder längst entfernte Leitungen sind gängige Probleme. Kabel unter einer Höhe von 25 Metern über Grund sind nicht meldepflichtig und somit auf der offiziellen Hinderniskarte des BAZL nicht eingezeichnet. Neue Hindernisse werden durch NOTAM bekannt gegeben, doch auch diese sind nicht immer vollständig. Eine persönliche Erkundung des Gebiets mit den heutig gängigen Hilfsmitteln, insbesondere kurz vor dem Flug, ist entscheidend.

Vorbeugung durch Technologie und Zusammenarbeit

Hilfsgeräte: GPS-Systeme mit Hinderniskarten oder FLARM/FLOICE  können Kabel erkennen und helfen, Kollisionen zu vermeiden. Allerdings sind auch diese Systeme nicht immer aktuell oder umfassend.

Markierungen: Kugelmarkierungen oder Kegel können Hinweise auf Kabel geben, doch nur wenige Kabel sind markiert.

Wartung und Meldung: Fehlerhafte Signalkugeln oder nicht genutzte Kabel sollten durch Eigentümer oder Piloten an obstacles@bazl.admin.ch gemeldet werden.

Eine Zusammenarbeit mit Regionalpiloten kann hilfreich sein. Diese kennen oft temporäre Hindernisse wie Baustellen oder Seilbahnen und können entscheidende Hinweise geben. Piloten sollten nie blind auf Karten vertrauen und immer mehrere Informationsquellen nutzen. Die regelmässige Aktualisierung von Datenbanken sowie Meldungen durch die Luftfahrt-Community können ebenfalls zur Verbesserung beitragen.

Bei Transportflügen sind erfahrene Flughelfer, die vor Ort die An- und Abflugachse auf mögliche Kabel scannen, ein enormer Sicherheitsgewinn. Vielfach kennen auch Landwirte oder Mitarbeitende von Stromfirmen und Bahnanlagen die Kabelsituation und können darüber Auskunft erteilen.

Ist dem Piloten trotz den verfügbaren Hilfsmitteln das Risiko für eine Landung noch zu hoch, ist eine Rekognoszierung kurz vor dem Flug terrestrisch zu Fuss oder per Auto nach wie vor eine der sichersten Methoden, um sich ein persönliches Bild der Situation zu machen.

Aufklärung und Zusammenarbeit als Schlüssel

Die Gefahren, die von Luftfahrt-Hindernissen ausgehen, sind zu gross, um sie zu vernachlässigen. Intensivere Schulungen, der Einsatz moderner Technologien und eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen Luftfahrtbeteiligten, Kartenherstellern, Inhaber von Luftfahrthindernissen und der Luftfahrtbehörde können dazu beitragen, die Sicherheit in kabelreichen Gebieten erheblich zu erhöhen.

Letztlich gilt: Nur wer auf Erfahrung, Wissen und Technologie gleichermassen setzt, kann das Risiko von Kabelunfällen nachhaltig minimieren.

 

Dieser Kartenausschnitt vom Stanserhorn zeigt eindrücklich, wo überall Kabel lauern. Und gerade in den Bergen droht auch die Gefahr temporärer Heuseile

2 Gedanken zu "«Kabelsalat» als unterschätztes Risiko"

  • Werner Broger

    Gratuliere sehr informativer Bericht…

    Antwort

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