Rudolf Stüssi zum Gedenken

Am 27. Juni versammelte sich in der ref. Kirche Dielsdorf eine grosse Trauergemeinde, um von Rudolf Stüssi Abschied zu nehmen. Er verstarb am 13. Juni in seinem 95. Lebensjahr. Unter den Trauergästen waren viele «Aviatiker», insbesondere langjährige Segelflugkollegen und -freunde des Verstorbenen. Nicht zufällig, denn Rudolf Stüssi war während mehr als einem halben Jahrhundert ein begeisterter Segelflieger und hat Wesentliches in der Schweizer Aviatik ins Leben gerufen.

Der Anfang seiner Flugbegeisterung reicht in die Zeit des Zweiten Weltkriegs zurück, als die Segelfluggruppe Dübendorf im Dällikoner Riet eine grosse Wiese als Startplatz ausgewählt hatte. Sie waren damals «fliegende Nomaden», zogen in verschiedenen Gemeinden von einer gemähten Wiese zur anderen und besassen eine Winde. Dank der Pacht eines Landstreifens wurden sie in Dällikon sesshaft.

Rudolf Stüssi erwarb 1953 mit 24 das Segelflugbrevet, 1964 die Motorfluglizenz. Als Segelfluglehrer und als Club-Obmann engagierte er sich rasch und stark im Vereinsleben. 1947 erfolgte der Namenswechsel zur Segelfluggruppe Lägern, wie sie heute in Schänis immer noch heisst.

«Segelfliegen macht mich frei von den Nöten des Alltags und lässt mich in seiner natürlichen Schönheit immer wieder positive Kräfte tanken. Der Segelflug in all seinen Varianten beherrscht mein ganzes Freizeitverhalten seit über 60 Jahren.» (R. St. 2015).

Die 1950er- und 1960er Jahre waren auch die Jahre des starken Aufschwungs des Linienverkehrs ab Kloten. Rudolf Stüssi erkannte als weitblickende Persönlichkeit und als Visionär rasch, dass der Flugplatz Dällikon auf die Dauer nicht zu halten ist. Er suchte mit Kollegen nach Alternativen und wurde 1965 in Schänis fündig. Er war nicht nur treibende Kraft bei der Suche, sondern auch beim Aufbau der dortigen neuen Flugplatzinfrastruktur. Ohne ihn gäbe es diesen Flugplatz nicht. Ab 1965 war er Verwaltungsrat und CEO der neu gegründeten Alpinen Segelflugschule Schänis AG (ASSAG), von 1982 bis 1997 deren Präsident.

Begeisterter Segelflieger

Lange Jahre hat Rudolf Stüssi als Spitzenpilot an Segelflugwettbewerben teilgenommen und gab in Streckenflugkursen in Schänis sein Wissen an jüngere, weniger erfahrene Piloten weiter. Höhepunkt war jeweils das abschliessende Spaghetti-Essen in seinem Ferienhaus auf dem Benkner Büchel, liebevoll zubereitet von seiner Frau Margrit und seiner Schwester Anni Brunner-Stüssi.

In der Zeit 1979/1980 sah Rudolf Stüssi erneut dunkle Wolken über den Flugplätzen aufkommen. Mehrere Motor- und Segelflugplätze waren mit den immer stärker werdenden Lärmgegnern konfrontiert. Er nahm damals in Olten an einer solchen Veranstaltung teil. Die Lärmgegner versuchten schweizweit gegen die «sinnlose und lärmige Freizeitfliegerei vorzugehen».

Gründer des VSF

Der Weg zur Gründung des «Vereins der Schweizer Flugplatzhalter und -eigentümer» war frei unter dem Motto: «Wer sein Recht nicht wahrt, gibt es auf». Erster Präsident nach der Gründung am 25. April 1981 wurde Rudolf Stüssi mit Werner Neuhaus sen. (Birrfeld) als Vizepräsident und Pierre Moreillon (Bex) als Sekretär. Später ernannte die GV Rudolf Stüssi zum Ehrenpräsidenten.

Der Verband Schweizer Flugplätze (VSF), wie er seit 2010 heisst, ist heute ein anerkannter und respektierter Verband, insbesondere auch beim BAZL. Beide sind Partner mit unterschiedlichen Interessen, die sich auf Augenhöhe mit gegenseitigem Respekt und Fairness begegnen, ganz im Sinn und Geist von Rudolf Stüssi.

Beim Segelflug des Lebens erlebte der Verstorbene viele Aufwinde – Erfolge –, aber auch fordernde Turbulenzen. Als Fünfjähriger verlor er seine Mutter, die mit 33 Jahren an den Folgen einer OP starb. Es folgten entbehrungsreiche Krisen- und Kriegsjahre. Der Alltag des jungen Rudolf war von harter und langer Arbeit geprägt. Sein Studium nach einer Lehre – Matura und Ingenieurstudium an der ETH (1956: dipl. Ing. ETH) – verdiente er sich als Werkstudent.

Unternehmensgründer und Gemeindepräsident

Mit der Gründung eines Ingenieurbüros, der Rudolf Stüssi AG (1962), und dem Beginn einer eigenen Fabrikation folgte eine lange Phase starker Aufwinde. Bei ihm waren Ingenieurbüro, klassische Bauunternehmung und Vorfabrikationswerk von Betonelementen in einem vereint. Nebst dem Aufbau der Firma und der Familie mit vier Kindern engagierte sich Rudolf Stüssi auch in der Gemeinde Dällikon als Bauvorstand und Gemeindepräsident. Nur dank der enormen Schaffenskraft des Verstorbenen war es möglich, all das unter einen Hut zu bringen.

Ihm war es vergönnt, von 1954 bis 2011 als verantwortlicher Pilot am Steuer zu sitzen. Die Schweizer Aviatik verdankt Rudolf Stüssi sehr viel. Dafür sind wir ihm  dankbar.  Hans Reis