Eine Gefahr nicht nur für Gleitschirmflieger
Helikopter und Gleitschirme teilen häufig denselben Luftraum. Besonders bei Transporten und Rettungseinsätzen in stark frequentierten Fluggebieten bedeutet dies sowohl für die Helikopter-Einsatzcrews als auch für Gleitschirmpiloten erhöhten Stress und ein potenziell höheres Risiko.
Autor: Martin Graf, SHeV
Nachlaufturbulenzen entstehen als Folge der Auftriebserzeugung eines Helikopters. Ihre Stärke hängt vom Gewicht, vom Rotordurchmesser sowie der Geschwindigkeit des Helikopters ab. Besonders bei niedriger Geschwindigkeit – etwa während des Starts und der Landung – sind diese Turbulenzen am intensivsten. Die Lebensdauer von Nachlaufturbulenzen variiert je nach Wind und den atmosphärischen Bedingungen. Sie können durch den Wind weitergetragen werden, was ihre Vorhersagbarkeit erschwert.Als Richtwert gilt, dass Nachlaufturbulenzen bis zu fünf Minuten nach ihrer Entstehung bestehen bleiben können. Daher ist eine sorgfältige Planung der Anflugsequenzen unerlässlich.
Mehrere Unfälle mit Gleitschirmpiloten
Die Schweizerische Sicherheitsuntersuchungsstelle (SUST) hatte mehrere Flugunfälle von Gleitschirmpiloten in der Schweiz untersucht (Schlussberichte 2335 & 2352) und kam dabei zum Schluss, dass Nachlaufturbulenzen von Helikoptern zum Einklappen und damit zum Absturz der Gleitschirme führten. Als systemische Ursache wurde das fehlende Bewusstsein für die Gefahr durch Nachlaufturbulenzen sowohl bei Helikopter- als auch bei Gleitschirmpiloten erkannt. Es gibt zudem einen dokumentierten Fall, bei dem Nachlaufturbulenzen den Kontrollverlust eines Kleinflugzeugs verursachten.
«Downwash» und «Wake Turbulences»
Bei der aerodynamischen Erzeugung von Auftrieb mittels eines Rotors entstehen nebst dem nach unten gerichteten Rotorabwind (Downwash) auch Wirbel, die in ihrer Gesamtheit als Nachlaufturbulenz (wake turbulence) bezeichnet werden, wie die SUST weiter erläutert. Im Vorwärtsflug erzeugen sowohl Flugzeuge als auch Helikopter ein gegenläufig rotierendes Wirbelpaar, das hinter dem Luftfahrzeug zurückbleibtDer Rotorabwind zeigt sich als unmittelbar einsetzende, kräftige, teilweise turbulente Luftströmung, die im Schwebeflug annähernd vertikal nach unten gerichtet ist. Die Intensität dieser Strömung hängt primär von der Masse des Helikopters und vom Rotordurchmesser ab. Im Schwebeflug oder bei langsamer Vorwärtsbewegung ist die Strömung am stärksten.
Die Nachlaufturbulenz (wake turbulence), bestehend aus einem gegenläufig rotierenden Wirbelpaar und entsteht ebenfalls als unmittelbare Konsequenz der Auftriebserzeugung. Bei ruhiger Luft sinken diese Wirbel annähernd vertikal ab, driften seitlich auseinander und können bis zu zwei Minuten mit stark abgeschwächter Wirkung auch noch länger bestehen bleiben. Wind beeinflusst sowohl die Bewegungsrichtung der Wirbel als auch ihre zeitliche Entwicklung.
Stärker als bei Flächenflugzeugen
Untersuchungen haben gezeigt, dass die Intensität der Nachlaufturbulenzen bei Helikoptern stärker ausgeprägt ist als bei Flächenflugzeugen derselben Masse. Wie bei Flächenflugzeugen spielt auch bei Helikoptern die Fluggeschwindigkeit eine massgebliche Rolle. Besonders im Geschwindigkeitsbereich von etwa 20 bis 50 Knoten ist die Entstehung der Nachlaufturbulenzen bei Helikoptern besonders gross.
Diese Turbulenzen sind unsichtbar und können noch mehrere Minuten nach dem Durchflug eines Luftfahrzeugs eine Gefahr für nachfolgende Luftfahrzeuge darstellen. Im Gegensatz dazu ist die Gefahrenzone des Rotorabwinds, der seine Wirkung unmittelbar und lokal begrenzt unterhalb des Helikopters entfaltet, leichter vorhersehbar.
Aus den USA sind mehrere Fälle bekannt, in denen Nachlaufturbulenzen von Helikoptern sogar Kleinflugzeuge zum Absturz brachten. Das französische Bureau d’Enquêtes et d’Analyses pour la sécurité de l’aviation civile (BEA) startete 2021 umfassende Untersuchungen zum Thema und veröffentlichte daraufhin erklärende Videos auf YouTube. Gemäss ihren Untersuchungen können Nachlaufturbulenzen bis zu fünf Minuten nach der Entstehung anhalten.
Wichtige Sensibilisierung
Das Hauptproblem besteht darin, dass Gleitschirmpiloten oft nicht ausreichend über die Gefahr informiert sind, und Helikopterpiloten kaum Verantwortung für den Luftraum übernehmen können, den sie vor fünf Minuten verlassen haben. Ich habe selbst mehrfach beobachtet, wie Gleitschirmpiloten meinen Flugweg gekreuzt haben, nachdem ich den Bereich verlassen hatte. Grundsätzlich haben Gleitschirmflieger als unmotorisierte Luftraumteilnehmer Vortritt vor Helikoptern.
Empfohlene Massnahmen unter Einhaltung der geltenden Luftraumregeln:
Für Helikopter:
• Langsamer fliegen bei hohem Gleitschirm-Aufkommen.
• Wenn möglich Ansammlungen von Gleitschirmen umfliegen.
• Das Bewusstsein für die potenziellen Nachlaufturbulenzen schärfen.
Für Gleitschirme:
• Leuchtende Farben am Gleitschirm verwenden, um besser erkannt zu werden.
• Bei Annäherung eines Helikopters schaukeln oder Kurven fliegen, um auf sich aufmerksam zu machen.
• Ein Flarm Beacon benutzen.
• Immer mindestens 500 Meter Abstand zu Helikoptern
halten.
Der Schweizerische Helikopterverband (SHeV) bietet bei Bedarf Sensibilisierungsvorträge bei Gleitschirmclubs und -Schulen zum Thema an.