Weshalb Redundanz überlebenswichtig ist
Ein erfahrener Berufspilot geriet mit einer einmotorigen Mooney in Kanada in eine dramatische Situation, als er in eine Schlechtwetterfront fliegen musste. Obwohl er unter Instrumentenflugregeln flog, verlor er in einer Wolke kurzfristig völlig die Orientierung. Was war geschehen?
Autor: Markus Kirchgeorg, Flight Safety Officer FFAC
Am 3. Januar 2021 wollte ein erfahrener Berufspilot mit über 6000 Stunden Erfahrung mit einer Mooney M20F in Kanada von Airdrie nach Nelson in der Provinz British Columbia fliegen. Der Pilot führte den Flug unter Instrumentenflugregeln (IFR) durch. Das Flugzeug stieg bei noch guten Sichtbedingungen auf eine Höhe von 15 000 Fuss über Meer (AMSL). Der Pilot bat dann die Flugsicherung (ATC) um eine Kurskorrektur, um Wolken auszuweichen. Doch dies war vom Wetter her nicht möglich, und das Flugzeug flog weiter in Instrument Meteorological Conditions (IMC).
Kurz darauf zeigte der Attitude Direction Indicator (ADI) des Flugzeugs vom Typ Garmin GI 275 eine Fehlfunktion des AHRS (Attitude and Heading Reference System) an. Damit verlor der Pilot die Attitude Information (Quer- und Längsneigung), Geschwindigkeit und Höhe blieben aber abrufbar. Eine visuelle räumliche Orientierung war ihm aufgrund der IMC-Bedingungen nicht mehr möglich.
Sofortiger Kontrollverlust
Nun begann die Flughöhe zu fluktuieren, zudem gab es eine Linkskurve um 90 Grad. Der Pilot informierte die Flugsicherung über den Instrumentenausfall und erklärte einen Notfall. Die Flugsicherung gab ihm ein Heading zurück nach Calgary. Bei diesem Umkehrversuch verlor der Pilot die räumliche Orientierung vollends und das Flugzeug fiel in Spiralstürze, abrupte Steigflüge und mindestens zwei Stalls innert fünf Minuten. Die Steigrate des Flugzeugs erreichte bis zu 8500 Fuss pro Minute, die Sinkrate sogar bis zu 23 000 Fuss pro Minute. Die Geschwindigkeit schwankte zwischen 43 und 242 Knoten, etwa 70 Knoten oberhalb der Never Exceed Speed des Baumusters.
Das Flugzeug fiel von rund 15 000 Fuss AMSL bis auf 8100 Fuss, als der Pilot endlich wieder den Boden sah und das Flugzeug in den Reiseflug zurückführen konnte. Sein Glück war, dass er in einem Tal aus den Wolken stiess und nicht über den Bergen.
Der Pilot konnte das Flugzeug durch das Tal zurück nach Airdrie fliegen und es entstand kein weiterer Schaden. Wegen der massiven Überschreitung der Flugbetriebsgrenzen der Mooney musste aber eine umfassende Kontrolle und Überholung des Flugzeugs durchgeführt werden.
Warum das Garmin GI 275 ausfiel, konnte nicht heraus-gefunden werden. Damit «AHRS ALIGN» wieder initialisiert werden kann, muss das Flugzeug etwa für zwei Minuten innerhalb von +/- 10 ° Bank, +/- 5 ° Pitch mit einer Geschwindigkeit von maximal 200 Knoten geflogen werden – schwierig, wenn der ADI ausgefallen ist und man sich in einer Wolke ohne Sichtkontakt zum Boden befindet.
Der Pilot hatte Sauerstoff aus der Flasche, ein mobiles Puls-oximeter, war lizenzseitig völlig korrekt unterwegs und hatte hohe IFR-Qualifikationen, einschliesslich der Qualifikation zum Betrieb von Businessjets.
Was kann man aus diesem Fall lernen?
Zunächst sagt die legale Seite (Part NCO der Verordnung EU Nr. 965/2012), welche Instrumentierung ein nach IFR betriebenes Flugzeug haben muss, welches Non-Commercial other than Complex (NCO) betrieben wird. Dies wird ausführlich auf der Website der Foundation For Aviation Competence beschrieben (siehe Quellenangabe). Dies dürfte auf die meisten IFR-Flugzeuge in der General Aviation zutreffen. Bei Flugzeugen, die Non-Commercial Complex (NCC) unterwegs sind – dies sind meistens leichte Jets und Jetprops – werden höhere Anforderungen an die Instrumentierung gestellt.
Zu den wichtigsten in der EU-Verordnung vorgeschriebenen Instrumenten zählen Air Speed Indicator (ASI), Attitude Indicator (AI), Altimeter (ALT), Turn Coordinator (TC), Magnetic Compass (HSI) und Vertical Speed Indicator (VSI), also das übliche Sixpack neben weiteren Instrumenten und Anzeigen der geforderten Liste. Doch was geschieht, wenn eines dieser Instrumente ausfällt? Moderne Avoniksysteme haben ein Attitude and Heading Reference System (AHRS), welches vor dem Flug auf dem Rollweg ein Alignment durchführt. Diverse Flugzeuge haben zwei AHRS, andere haben zusätzliche Instrumente auf der Basis einer Vakuumpumpe.
Eine ältere Cirrus SR22: Die Redundanz der Instrumente wird mit AI auf der Basis AHRS einerseits (oberer Bildschirm links) und AI auf der Basis Gyro plus ASI und VSI (Rundinstrumente unten) andererseits erreicht. Eine simple Lösung, die lebensrettend sein kann.
Dieser Beitrag würde sicher zu weit führen, Ratschläge zur passenden Instrumentierung eines IFR-Flugzeugs der General Aviation geben zu wollen. Entscheidend ist jedoch, wie auch der Bericht des Transportation Safety Boards of Canada (TSB) ausführt, dass man hierzu Lösungen hat, bevor es in IMC geht. Zitiert werden Trainings mit partieller Instrumentierung, zum Beispiel im Reversionary Mode von Garmin, wenn das Flugzeug das kann. Dies kann bei Sichtflugbedingungen im Flug stattfinden oder im Simulator. Das TSB fordert «recent partial panel flight experience». Wie diese auszusehen hat, muss wohl im Einzelfall definiert und geübt werden. Auf jeden Fall ist es fragwürdig, ob man ein Flugzeug in IMC ohne AI nur mit den anderen Instrumenten sauber steuern kann.
Weitere Möglichkeiten, um Redundanzen im Cockpit zu schaffen, bestehen mit modernen Navigationswerkzeugen auf dem iPad. Diverse Navigations-Tools wie ForeFlight mit der Sentry-Antenne oder Stratus können als Werkzeuge im Notfall helfen. Das fest mit dem Flugzeug verbundene Sentry wirkt wie ein AHRS und überträgt die GPS-Daten per WiFi an das iPad. Fore-Flight Performance Plus bietet einen AI plus GPS-basierte Instrumente wie im PFD eines Glascockpits. Auch dies ist als Vorbereitung für den Notfall eine saubere Planung, Briefing und intensive Übungen in VMC wert. Ein Sentry bietet darüber hinaus auch einen CO-Sensor, der bei CO-Belastung im Cockpit akustisch reagiert. Attraktiv ist auch, dass man diese Instrumente in IFR- Mietflugzeugen mitnehmen kann. Als Einschränkung ist zu beachten, dass für diese iPad-Tools keine Zertifizierungen als Fluginstrumente bestehen.
Sicher lehrt der Fall aus British Columbia, dass eine einfache Instrumentierung ohne Redundanzen für IFR in IMC im schlechten Fall böse enden kann. Und auch wenn die Instrumente vorhanden sind, braucht es ein Briefing und Training an Bord, wie man mit Instrumentenausfällen umgehen kann. Der Fall der Mooney mit dem höchst erfahrenen Berufspiloten hat gezeigt, wie schnell der Ausfall des Attitude Indicators ins Auge gehen kann. Doch auch die Redundanzen für weitere Anzeigen wie Kompass oder Geschwindigkeitsanzeige sollen geklärt und individuell auf dem Baumuster mit der Flight Crew geübt sein.
Quellenangabe
FFAC-Beitrag auf www.ffac.ch: 2021.01.02 «Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit ein Pilot mit einer PPL und gültiger Instrumentenflugerweiterung privat unter IMC (IFR) fliegen darf (mit nicht komplexen Luftfahrzeugen)?»